Künstliche Intelligenz als Chance für Mitarbeitende und Betriebe
Als Unternehmer treibt er Innovation und die Ausbildung von Fachkräften voran. Als Digital Native wundert er sich in der Politik manchmal über lang dauernde Veränderungsprozesse. Privat fasziniert ihn die Kunst.
Nach der Kantonsschule absolvierte er ein Wirtschaftsstudium in St.Gallen und London. Danach wollte er im Spitalmanagement Karriere machen. Eigentlich. Doch während seines studentischen Auslandpraktikums in der Urma-Niederlassung in Schanghai änderte sich alles. Yannick Berner erlebte die Produkte im Einsatz, die aus dem Familienbetrieb stammen, welchen seine Grosseltern vor über 60 Jahren in Rupperswil gründeten – und war fasziniert.
Der Weg führte ihn also in die Urma AG, wo er inzwischen die Bereiche Digitales und Marketing leitet und seit 2022 Mitglied des Verwaltungsrates ist. Zusammen mit seinen beiden Geschwistern führt er das international tätige Industrieunternehmen mit weltweit rund 150 Mitarbeitenden in die Zukunft. Der Fokus liegt auf der Entwicklung und Produktion von Präzisionswerkzeugen, welche unter anderem in der Automobil-, Flugzeug- und Windturbinen-Branche eingesetzt werden. Seit 2018 engagiert er sich politisch für die FDP. Er war Einwohnerrat in Aarau, Mitglied der Finanz- und Geschäftsprüfungskommission und Fraktionspräsident der FDP Aarau, bevor er 2020 als jüngstes Mitglied in den Grossen Rat des Kantons Aargau gewählt wurde. Yannick Berner wurde 1992 geboren und wohnt in Aarau.
Yannick Berner im Interview
Was macht für Sie ein «Macherbetrieb» aus?
Die hohe Initiative und die herausragenden Dienstleistungen, Produkte sowie Prozesse – unabhängig von der Grösse des Betriebs. Ein Macherbetrieb probiert neue Sachen aus, geht neue Wege. Er überzeugt zum Beispiel durch einen ansprechenden Webauftritt, generiert Mehrwert und bietet immer Neues. Ein Macherbetrieb wird von einem Vollblutunternehmer, einer Vollblutunternehmerin verkörpert.
Haben Sie ein Lieblingsunternehmen in der Region und wenn ja, warum?
Da gibt es viele Unternehmen, die ich grossartig finde, quer durch alle Branchen. Vor allem gefallen mir familiengeführte Betriebe. Die Robert Ott AG in Seon beeindruckt mich beispielsweise sehr. Trotz den Marktschwierigkeiten durch die weltweite Konkurrenz investiert das Unternehmen in Seon stark in die Ausbildung. Denn man hat erkannt, dass man nicht einfach zuwarten sollte, bis der Fachkräftemangel möglicherweise «von aussen» behoben wird. Hier packt man das Problem bei der Wurzel. Inzwischen ist die Robert Ott AG ein Vorzeigeausbildungsbetrieb, vor allem für lernende Polymechanikerinnen und Polymechaniker. Die entstandene Lehrlingswerkstätte erachte ich als eindrücklich und wegweisend.
Sie waren gerade in Mexiko. Was macht man dort anders oder besser als hier?
Vielleicht ist man ein bisschen zufriedener (lacht). Mexiko befindet sich in einem wirtschaftlichen Aufschwung. Dort habe ich sehr viele lokale Unternehmen besucht. Unter anderem durfte ich einen Farbhersteller in der Region Oaxaca kennenlernen, welcher Farbpigmente durch spezielle Techniken gewinnt. Der rote Farbstoff beispielsweise stammt von einer Laus. Die Leidenschaft und das Herzblut, mit der das Unternehmen geführt wird, war sehr inspirierend. In den zahlreichen Gesprächen mit Gewerbetreibenden erkannte ich auch Parallelen zur Schweiz. Denn auch hier ist man dank der Innovationskraft, der Kundennähe und der Unternehmenspersönlichkeit konkurrenzfähig – auch gegenüber Billigimporteuren.
Was verbindet Sie mit dem Gewerbe?
Zu wissen, wo der Franken herkommt. Etwas bewirken zu wollen, aber auch das Unternehmertum an sich; die liberale politische Haltung und der Kundenfokus. Das sind die zentralen Punkte.
Wo sehen Sie die aktuell grössten Herausforderungen für regionale Betriebe?
Ganz klar beim Fachkräftemangel. Der ist leider keine Illusion. Auch bei der Urma sind wir davon betroffen. Wir investieren daher stark ins Employer Branding und den Cultural Fit. Kurz gesagt, geht es heute um mehr als die fachliche Eignung für einen Job. Es geht darum, dass die Werte und Ziele des Unternehmens und der Mitarbeitenden übereinstimmen. Das haben wir erkannt und bauen daher auch unser internes Aus- und Weiterbildungsangebot aus. Haben wir uns früher ausschliesslich auf den Beruf Polymechaniker/in EFZ fokussiert, bilden wir heute auch Konstrukteurinnen und Konstrukteure, Produktionsmechanikerinnen und -mechaniker sowie Mediamatikerinnen und Mediamatiker am Standort Rupperswil aus. Sicher sind auch steigende Kosten, darunter Energie- und Personalkosten, sowie Herausforderungen rund um Lieferketten ein stetiges Thema.
Wie sollten regionale Betriebe auf den Fachkräftemangel reagieren?
Die Berufslehre muss dringend weiter gestärkt werden. Das Wichtigste ist, selbst auszubilden. Daher mein Appell: Bildet gute Leute aus! Das kommt allen zugute. Wer ins stetige Lernen und in Weiterbildung investiert, hat Zukunft.
Was raten Sie den Bürgerinnen und Bürgern?
Bewerbt euch regional. Wer bloss ausserkantonal oder im städtischen Umfeld nach seinem Glück sucht, sollte sich bewusst werden, dass wir viele sehr gute Betriebe bei uns in der Region haben. Vom Kleinbetrieb bis zum Grossunternehmen finden sich in allen Branchen herausragende Firmen. Gleiches gilt beim Abstimmen und Wählen: Lasse ich mich eher von Mainstream-Meinungen leiten oder achte ich künftig persönlich etwas stärker darauf, wer sich für den Werkplatz Aargau stark macht und so die Attraktivität der Region fördert?
Sie sind selbst Unternehmer. Was treibt Sie an? Woher nehmen Sie die Energie?
Das Familienunternehmen zusammen mit meinen beiden Geschwistern in dritter Generation zu führen, ist für mich eine Ehre; ebenso die Verantwortung unseren Mitarbeitenden gegenüber. Mich motiviert das unternehmerische Handeln täglich. Privat reise ich gerne, schätze das Kulturelle und tausche mich mit Freunden und der Familie aus. Ich interessiere mich für moderne und zeitgenössische Kunst, besuche gerne Museen und halte nicht selten inne vor einem Werk, welches mich inspiriert. Früher spielte ich Klarinette, zum Beispiel im Schweizer Armeespiel, und leitete ein Orchester. Aber auch bei einem Fussballmatch des FC Aarau kann ich abschalten und neue Energie tanken.
Wo liegen die Stärken der regionalen KMU?
Bei der Kundennähe, dem Vertrauen. Man kennt sich, baut eine langfristige Zusammenarbeit auf – sei es mit Partnerinnen und Partnern oder Kunden und Kundinnen. Ich selbst schätze als Kunde die hohe Qualität und das fachliche Wissen unseres Gewerbes. Wir haben zudem Top-Handwerker. Und das macht unseren Werkplatz aus: die Qualität.
Welches sind die Chancen für das Gewerbe? Welchen Einfluss wird KI nehmen? Wagen Sie einen Zukunftsblick?
Wer auf seinen Stärken aufbaut, die Kundschaft und deren Bedürfnisse versteht, seine Dienstleistung kontinuierlich an den Markt anpasst und weiterhin auf das Persönliche setzt, den kann auch KI nicht ersetzen. Das bedeutet aber nicht, dass man die Digitalisierung nicht nutzen soll. Ich denke, viele sehen den individuellen Nutzen noch nicht, haben Berührungsängste oder denken, KI sei zu kompliziert. Dabei funktioniert schon fast jede App, die man per Smartphone nutzt, mit künstlicher Intelligenz. Mein Wunsch ist es, dass die Leute erkennen, dass bereits durch den Einsatz einfacher Massnahmen Zeit effizienter und wirkungsvoller genutzt werden kann. Zum Beispiel lassen sich administrative Arbeiten sehr einfach durch ein KI-gestütztes CRM (Software zur Verwaltung von Kundendaten; Anm. der Red.) ausführen. Oder ein Rapport muss heute nicht mehr textlich erfasst werden, sondern kann mittels Spracheingabe erfolgen. Wer noch nicht so recht weiss, wie er vorgehen soll, holt sich am besten Rat. Den ersten Schritt zu wagen, lohnt sich.
Wie setzen Sie sich als Politiker für Gewerbebetriebe ein?
Ich setze mich für liberale Werte, gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft und eine tiefe Steuerbelastung ein. Unternehmerinnen und Unternehmer sollen die Möglichkeit haben zu investieren, auszubauen und Personal zu finden. Die Berufslehre – das duale Bildungssystem – ist ein Schweizer Erfolgsmodell, für dessen Weiterentwicklung ich mich aus tiefster Überzeugung engagiere. Künstliche Intelligenz hat einen grossen Einfluss und wird unsere Gesellschaft grundlegend verändern. Hier möchte ich den Leuten die Angst nehmen und gleichzeitig den Staat durch sinnvolle Regulierungen so fit machen, dass die Bevölkerung geschützt ist.
Wo setzen Sie in der Urma auf KI?
Zum Beispiel bei der optischen Endkontrolle unserer produzierten Werkzeuge. Fehlerbilder können digital erfasst und geprüft werden. Hier unterstützt KI unsere Mitarbeitenden in diesem anstrengenden Arbeitsprozess.
Soll ein Gewerbe voll auf die Digitalisierung setzen? Welche Tipps geben Sie Gewerbetreibenden diesbezüglich an die Hand?
Nein. Digitalisierung bietet aber sehr viele Chancen. Ein Gedankenspiel: Weshalb nicht dort digitalisieren, wo der administrative Aufwand überhand nimmt und frustriert? So macht man der Freude an der Arbeit wieder Platz, hat mehr Zeit für die Kundschaft und mehr Raum für Innovation und Geschäftsentwicklung. Digitalisierung bietet auch in der Kommunikation ein grosses Potenzial. Sei es, um Transparenz für die Kundschaft zu schaffen oder ein neues Kundensegment zu erschliessen. Auch der Einsatz digitaler Medien ist wichtig für ein Unternehmen.
Ein Wort an die Konsumentinnen und Konsumenten?
Wenn wir unseren Wohlstand schützen wollen, haben wir dem lokalen und regionalen Gewerbe Sorge zu tragen. Letztlich hängt alles zusammen und vieles fängt lokal und regional an. Es ist zudem wichtig, dass wir uns in der Lokalpolitik, im Vereinswesen, der Freiwilligenarbeit und dem Militär engagieren. Sie sind der Stützpfeiler unserer Gesellschaft, unserer Demokratie.
Ihr Eindruck vom Lezgo-Magazin?
Mir gefallen der hybride Ansatz, die Einzigartigkeit und das Storytelling. Man spürt, dass auch ihr ein Macherbetrieb seid. Ihr punktet mit Qualität und das ist von grossem Wert.
Herzlichen Dank für das inspirierende Interview.
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