Worauf es ankommt, wenn man Erfolg haben will
An der WM in Antwerpen diesen Herbst wurde er sensationeller 14-ter. Der 20-Jährige Florian Langenegger erzählt im Lezgo-Interview, wie man Ziele erreicht und was er Jugendlichen für die Berufswahl rät.
Alles fing mit einem simplen Probetraining an. Damals war er sieben Jahre jung. Das Feuer für das Kunstturnen war schnell entfacht. Schon früh wurde klar, dass nicht nur Talent, sondern auch Disziplin zu Florian Langeneggers Eigenschaften zählen. So bahnte sich ein ungewöhnlicher Berufsweg an: Eine Karriere als Sportler stand fest, aber auch, dass noch ein Plan B her musste. Dies, um Sicherheit für die Zukunft zu schaffen; weil Profisport in der Regel nicht bis ins Alter ausgeübt werden kann. Auch hier entdeckte der sympathische und bescheidene Profisportler schnell, was er später einmal werden möchte: Banker. Er machte eine Lehre als Bankfachmann (Kaufmann EFZ), die er 2022 abschloss. Danach folgte die Spitzensport-RS. Aktuell absolviert er die Berufsmatur Typ Wirtschaft im Selbststudium. Das Ziel ist ein Studium in der Finanzbranche.
Aufgewachsen ist Florian Langenegger in Uerkheim. Heute verbringt er noch die Wochenenden im Elternhaus. Seit August 2022 trainiert er von Montag bis Freitag im Nationalen Sportzentrum in Magglingen. Florian ist Mitglied im Schweizerischen Turnverband (STV Schlossrued).
Florian Langenegger im Interview
Mit Jahrgang 2003 gehörst du zur Generation Z. Diese sieht sich den Vorurteilen ausgesetzt, sie sei faul, verwöhnt, würde am liebsten gar nicht arbeiten, sei beziehungsunfähig und verbringe ihr Leben am Smartphone. Wie erlebst du deine Generation?
(Lacht und überlegt kurz) Etwas Wahres ist schon dran. Aber ich würde auch nicht pauschalisieren; weder die negativen noch die positiven Vorurteile. Meine Generation gehört zwar zu den Digital Natives, aber wir wissen zum Beispiel noch, wie es war, sich via Haustelefon zu verabreden. Beziehungsunfähig? Das glaube ich weniger. Mir persönlich sind gute Beziehungen zu meinen Liebsten sehr wichtig. Zudem habe ich eine Freundin. Wir sind bereits im fünften Jahr zusammen. Zum Smartphone: Klar, es nimmt eine zentrale Rolle ein und dass Social Media das tägliche Leben beeinflusst, kann ich bestätigen. Es ist einfacher geworden, sich zu verabreden und miteinander zu kommunizieren. Auch ich verbringe Zeit auf Instagram und YouTube und konsumiere Inhalte, die mich interessieren oder auch einfach unterhalten. Und bezüglich der Zielstrebigkeit erlebe ich es als sehr unterschiedlich: Es kommt letztlich auf den einzelnen Menschen an. Bei mir stand klar das Turnen im Zentrum, die Schule war eher nebensächlich.
Gab es einen bewussten Moment, als du dich für eine Karriere im Kunstturnen entschieden hast?
Ja, der Moment war im Alter von etwa 14 Jahren. Ich war damals zwar schon im regionalen Leistungszentrum in Niederlenz aktiv, aber aus dem langjährigen Hobby und der Freude am Turnen wuchs immer stärker der Wunsch, noch weiter zu kommen. Zudem war ich einer der wenigen, die immer noch dabei waren – und die sportliche Entwicklung war sichtbar. Die Erkenntnis, dass sich der persönliche Einsatz auszahlt, war letztlich ausschlaggebend. So schlug ich den Weg ein und konnte bereits mit 18 Jahren im Nationalkader der Schweiz professionell turnen. Dafür bin ich sehr dankbar.
Was ist dein Ansporn?
Es ist definitiv nicht die Belohnung in Form von Geld, von dem man als Kunstturner übrigens nicht viel verdient (schmunzelt). Auch nicht unbedingt die Anerkennung, die man erhält, sondern primär die eigenen Emotionen. Die Lorbeeren in Form eines Erfolges zu feiern, dem eine monate- oder gar jahrelange Arbeit vorausging, ist ein enormes Gefühl persönlicher Befriedigung.
Wie sieht ein üblicher Tagesablauf von dir aus?
In der Regel stehe ich um 7 Uhr auf, frühstücke und arbeite danach eine Stunde im Selbststudium für die Berufsmaturitätsschule. Um 9.45 Uhr geht’s los mit dem ersten Training bis ca. 12.15 Uhr. Nach dem Mittagessen lerne ich wieder eine Stunde, bevor von 14.45 Uhr bis 17.15 Uhr das zweite Training stattfindet. Nach dem Abendessen folgt die Regeneration, die aus Ausdehnen, Sauna und Kalt- und Warmbad besteht.
Und wann chillst du mal?
Nach dem Ausdehnen nehme ich mir Zeit für mich. Dann schaue ich in der Regel Youtube oder Netflix. Auch auf Social Media poste ich inzwischen intensiver und vor allem mit einem Konzept. Instagram und Shorts für YouTube mache ich selbst. In der Spitzensport-RS wurden wir auch im Career Management, also dem Planen der eigenen Sportkarriere, weitergebildet. Das war sehr interessant. Es macht Spass, zu sehen, wie sich die eigene Sichtbarkeit vergrössert und die Follower-Zahl wächst.
Du bist gelernter Kaufmann EFZ. Was hat dich bewogen, diesen Beruf zu erlernen?
Das ist einfach: Schon als Kind war es mein Traum, Banker zu werden (lacht). Ich war bei verschiedenen Banken schnuppern. Viele wollten oder konnten mir jedoch keine Ausbildung anbieten. Das war eine schwierige Phase für mich. Ich würde mir wünschen, dass es jungen Sportlerinnen und Sportlern einfacher gemacht wird und die Firmen auch die beidseitigen Vorteile erkennen. Der Raiffeisenbank Reitnau-Rued bin ich noch heute dankbar, dass mir die Chance einer Sportlehre ermöglicht wurde. Sie sind heute mein Hauptsponsor und ich biete der Bank eine Werbefläche.
Welchen Stellenwert haben Lehre und Berufsbildung für dich?
Für mich war es wichtig, eine Lehre zu machen, damit ich etwas in der Hand habe für die Zeit nach meiner sportlichen Karriere. Auch wenn es mit viel Aufwand verbunden ist: Man investiert in seine eigene Zukunft. Das alleine sollte bereits ein gutes Argument sein.
Welche Tipps gibst du deiner Generation bezüglich der Berufswahl?
Es lohnt sicht, viel schnuppern zu gehen und verschiedene Berufe auszuprobieren; den Berufen auch mal eine Chance zu geben. Man kann plötzlich positiv überrascht werden. Immerhin sind es ja dann meistens drei oder vier Jahre, die man in die Lehre investiert. Da sollte man sich schon sicher sein, was man möchte.
Disziplin, mentale Stärke und Zielsetzungen gehören zu deinen täglichen Instrumenten. Wie meistert man Herausforderungen?
Indem man sich Ziele setzt und diese am besten verschriftlicht. So kann man sie sich immer wieder vor Augen führen. Ich überlege mir immer, was ich will und wie ich es angehe. Den Weg zum Ziel in einzelne Schritte zu unterteilen, hilft. Und dann das Wichtigste: Überhaupt mal anfangen. Erst, wer anfängt, kann eine Routine entwickeln. Das ist der Schlüssel. Ich trainiere zehn Trainingseinheiten à zweieinhalb bis drei Stunden pro Woche. Danach habe ich zwar jeweils immer noch Muskelkater, aber der Körper gewöhnt sich daran und man wächst über sich hinaus. Ein positives Umfeld spielt sicher auch eine grosse Rolle. Ich bin vor allem meinen Eltern dankbar für den Support und den ganzen Zusatzaufwand, den sie immer wieder leisten.
Du gehörst zur Generation Z. Wie unterscheidet sich die jüngere Generation Alpha beim Sport?
Junge Turnerinnen und Turner können oft weniger gut mit dem Druck umgehen. Ich denke, das liegt daran, dass sie sensibler sind. Man braucht einen starken Willen, denn die Anforderungen sind hart. Ein gutes Umfeld hilft, immer wieder auf klare Gedanken zu kommen.
Wer unterstützt dich in Magglingen?
Meine persönlichen Trainer, Nils Haller und Laurent Guelzec, zwei Physiotherapeuten, das Medical Team mit einem Sportarzt und den Masseuren sowie der STV als mein Arbeitgeber.
Wo tankst du auf, was gibt dir Kraft?
Bei meiner Freundin und bei meinem Freundeskreis. Sie erden mich. Hier kann ich den Sport auch mal aussen vor lassen und einfach ich sein. Das bedeutet mir viel.
Welches sportliche Ziel ist dein nächstes?
Generell möchte ich die Schwierigkeit meiner eigenen Übung erhöhen mit der Aussicht, noch höhere Noten zu erreichen. Und das absolute Wunschziel ist natürlich, bei der Olympiade in Paris 2024 im Team zu sein.
Hast du ein Vorbild?
Der Japaner Daiki Hashimoto, der Olympiasieger und Weltmeister im Kunstturnen ist. Er ist nur zwei Jahre älter als ich. Und Christian Baumann, den ich schon im ATZ Niederlenz bewunderte. Heute ist er einer meiner WG-Partner in Magglingen, das ist schon verrückt.
Gibt es noch andere Ziele oder Wünsche, die du in deinem Leben verfolgst?
Da ich von Kindesbeinen an immer stark eingebunden war, ist es mein Wunsch, einmal mehrere Monate reisen zu gehen. Nach Amerika oder Australien. Das geht aber erst nach meiner Karriere.
Was ist dir im Leben am Wichtigsten?
Dass alle meinen Liebsten gesund sind.
Möchtest du noch etwas anmerken?
Bald steht der Swiss Cup an. Als ich diesen als Kind im TV mitverfolgte, war das der Grund, weshalb ich mit dem Turnen anfing. Nun schliesst sich dieser Kreis und ich turne selbst am Swiss Cup. Vielleicht inspiriert das ja den einen oder die andere, mit dem Kunstturnen anzufangen. (Anmerkung der Redaktion: Zum Zeitpunkt der Aufzeichnung dieses Interviews steht der Swiss Cup Zürich 2023 bevor.)
Ein abschliessender Satz zum Lezgo-Magazin?
Mir gefällt, dass Lezgo Porträts von Macherinnen und Machern in den verschiedensten Bereichen zeigt und sich für die Berufsbildung einsetzt.
Das Lezgo-Team dankt dir für dieses inspirierende Interview und wünscht dir weiterhin guten Erfolg.
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Sportkarriere und Berufslehre lassen sich vereinbaren
Es benötigte einige Anläufe, bis Florian Langenegger seine Lehrstelle erhielt. Nach Absagen diverser Banken war es schliesslich die Raiffeisenbank Reitnau-Rued, mit der eine Übereinkunft für eine Sportlehre getroffen werden konnte. Für viele Unternehmen ist eine Sportlehre mit Hürden oder Berührungsängsten verbunden. Dies vor allem deshalb, weil wenig über die Rahmenbedingungen und Möglichkeiten bekannt ist. Um junge Talente zu fördern, sei es aber wichtig, dass solche Lehrstellen geschaffen werden, sagt Florian Langenegger.